26.01.2023

Bundesverfassungsgericht zur Übergangsregelung vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren

Mit heute veröffentlichten Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Übergangsregelung vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren im Jahressteuergesetz 2010 mit dem Grundgesetz teilweise unvereinbar ist. Die Gesetzgebung ist nun verpflichtet, den festgestellten Verfassungsverstoß bis zum 31.12.2023 rückwirkend zu beseitigen. 

Sie führe bei einer bestimmten Eigenkapitalstruktur zu einem Verlust von Körperschaft­steuer­minderungs­potenzial. Dieses unterfalle, soweit es im Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren realisierbar war, dem Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG. Der Eingriff in dieses Schutzgut sei nicht gerechtfertigt.

Nach dem bis Ende 2000 geltenden Anrechnungsverfahren wurden nicht ausgeschüttete steuerbare Gewinne von Körperschaften mit (zuletzt) 40 Prozent Körperschaftsteuer belastet (Tarifbelastung). Kam es später zu Gewinnausschüttungen, reduzierte sich der Steuersatz auf (zuletzt) 30 Prozent (Ausschüttungsbelastung). Für die Körperschaft entstand so ein Körperschaftsteuerminderungspotenzial in Höhe von (zuletzt) 10 Prozentpunkten.

Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren

Beim Anteilseigner erfolgte die Besteuerung der Ausschüttung mit dem individuellen Einkommensteuersatz des Steuerpflichtigen unter Anrechnung der von der Kapitalgesellschaft entrichteten Körperschaftsteuer. Nach dem Halbeinkünfteverfahren wird auf der Ebene der Körperschaft für Gewinne nur noch eine einheitliche und endgültige Körperschaftsteuer in Höhe von (seit 2008) 15 Prozent erhoben. Auf der Ebene des Anteilseigners unterliegt der ausgeschüttete Kapitalertrag nur zur Hälfte (seit 2009 zu 60 Prozent) der Einkommensteuer.

§ 36 KStG ist Teil der Übergangsvorschriften, die den Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren regeln. Danach wurden die unter dem Anrechnungsverfahren gebildeten, unterschiedlich mit Körperschaftsteuer belasteten und die nicht belasteten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals in mehreren Schritten zusammengefasst und umgegliedert. Das in den verbleibenden belasteten Eigenkapitalteilen enthaltene Körperschaftsteuerminderungspotenzial wurde in ein Körperschaftsteuerguthaben umgewandelt, das während einer mehrjährigen Übergangszeit abgebaut werden konnte.

Verrechnung der nicht steuerbelasteten Teilbeträge

Bei der Verrechnung der nicht steuerbelasteten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals untereinander blieb der in § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1999 bezeichnete Teilbetrag des verwendbaren Eigenkapitals (EK 04), in dem offene und verdeckte Einlagen der Gesellschafter erfasst waren, unberücksichtigt. Dies führt in bestimmten Fällen zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial.

Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde ist nach Auffassung des BVerfG begründet. § 36 Abs. 4 KStG sei mit dem Grundgesetz unvereinbar, soweit die Regelung zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führt, weil sie das genannte EK 04 nicht in die Verrechnung der unbelasteten Teilbeträge einbezieht.

Die Entscheidung vom 24.11.2022 (2 BvR 1424/15) ist mit 6:1 Stimmen ergangen.

Gesetzgebung muss bis zum 31. Dezember 2023 handeln

Die Gesetzgebung ist nun verpflichtet, den festgestellten Verfassungsverstoß bis zum 31. Dezember 2023 rückwirkend zu beseitigen. Diese Verpflichtung erfasst alle noch nicht bestandskräftigen Entscheidungen, die auf den für verfassungswidrig erklärten Vorschriften beruhen. Bis zu einer Neuregelung dürfen Gerichte und Verwaltungsbehörden die Normen im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen.

(BVerfG / STB Web)

Artikel vom 26.01.2023

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